"Der neue Rabbiner ist cool" Seit 1. September ist Avraham Yitzhak Radbil Ortsrabbiner von Freiburg – mit gerade mal 27 Jahren.

16.04.2013 16:54

Er ist der jüngste in Deutschland – und mit Sicherheit einer der vielsprachigsten: Am 1. September hatte Avraham Yitzhak Radbil seinen ersten Arbeitstag als Ortsrabbiner von Freiburg. Dem vormaligen Freiburger Rabbiner Benjamin Soussan war zum Mai des Jahres gekündigt worden, seither war der Posten vakant. Nun wird er mit einem jungen Mann besetzt, der Außergewöhnliches ganz selbstverständlich mitbringt. Zum Beispiel dieses: Der 27-jährige orthodoxe Rabbiner ist einer von zwei jungen Männern, die als erste nach der Shoa wieder eine Rabbinerausbildung in Deutschland absolvierten. Sein Werdegang bis dahin ist bemerkenswert. Geboren in einer ukrainischen Kleinstadt wuchs Avraham Radbil zwar in einer jüdischen Familie auf, erlebte dort jedoch kaum jüdischen Alltag. Lediglich einige der alten Traditionen wurden beibehalten – ansonsten blieb Religion außen vor. In der Generation der Urgroßeltern war das noch anders gewesen, erzählt der Rabbiner, der seinen Gebetsschal ebenso wie seinen Namen von einem der Urgroßväter erbte. Die Großväter jedoch setzten andere Schwerpunkte und lebten als überzeugte Kommunisten fernab der einstigen Familienreligion. Kurios die spätere familiäre Entwicklung: Ein Teil seiner Familie entschied in den 90er Jahren nach Israel auszuwandern – und blieb dort der Religion fern. Seine Eltern gingen 1996 nach Deutschland – und der Sohn fand hier zur Religion seiner Väter.
 


Dass er sich mit etwa 15 zunehmend für die orthodoxe Ausrichtung des Judentums interessierte, erklärt er so: "Viele junge Juden aus den ehemaligen Sowjetstaaten beziehen sich wieder auf die Religion ihrer Vorfahren." Und die war – anders als in den ersten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts in Mitteleuropa – orthodox geprägt. Eine Richtung mit Konsequenz und Sinn, findet Avraham Radbil.

Wenn es ans Auslegen von Schriften und das Debattieren von Vorschriften geht, liegt ihm häufig das Englische am nächsten: In einem Seminarjahr in Manchester hat er viel von dem gelernt, was bei diesen Erörterungen gefragt ist. Ganz privat liegt ihm beim Schreiben das Deutsche näher. Sein viel beachtetes erstes Buch ("Die moderne Welt durch die Brille der Tora") über die jüdische Sicht auf die Dinge des Lebens, im Februar veröffentlicht, ist denn auch zunächst auf Deutsch erschienen. Im Gespräch fühlt er sich auf Russisch, auch auf Ukrainisch am heimischsten. Eine gute Nachricht für die fast 90 Prozent Russischstämmigen unter den etwa 800 Gemeindemitgliedern.

Auch eine gute Nachricht: das Alter des "Neuen". Wie einer aber mit 27 nicht nur ausgebildeter Rabbiner, sondern auch fleißiger Autor und zudem Familienvater mit zwei Kindern sein kann, – das fragt er sich manchmal selber: "Da gab es wirklich harte Zeiten. In denen musste man dann vor allem an Schlaf sparen." Besonders als nebenher auch noch ein Psychologiestudium lief. Das hat er jedoch schon in den beiden vergangenen Jahren als Assistenzrabbiner in Köln auf Eis gelegt.

Und von Köln aus hat er sich "zunächst mit einiger Skepsis" in Freiburg beworben. Dass nämlich die hiesige Gemeinde unruhige Zeiten hinter sich hat, war ihm bekannt. Umso erleichterter war er, als ihm hier alle außerordentlich offen und freundlich begegneten. Und Offenheit ist eine der wichtigsten Tugenden, die er selber für sich reklamiert: Immerhin wird er als orthodoxer Rabbiner religiöses Oberhaupt einer "Einheitsgemeinde", die weitere Ausrichtungen beherbergt als nur die orthodoxe. Der Blick nach vorn verspricht viel, finden der Vorstand der Gemeinde und zum Beispiel auch der junge Mann, der mailt: "Der Rabbiner ist echt cool und intelligent, es macht Spaß, sich mit ihm zu unterhalten."
 

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