Dewarim Deuteronomium 1:1-3:22 Angriff auf die Prominenz

30.07.2014 14:40

In diesem Wochenabschnitt lesen wir, wie Mosche Bilanz zieht zu den Ereignissen während der  Wüstenwanderung. Das Volk wird unter anderem an die Sünde des goldenen Kalbes, an den Aufstand von Korach, das Beklagen über Man und an die Sünde der Kundschafter erinnert. Insbesondere die neue, in der Wüste geborene Generation wird davor gewarnt, diese Fehler zu wiederholen. Mosche erinnert aber auch an die glorreichen Siege gegen den Sichon und Og, den König von Baschan. Das eroberte Land auf der Ostseite des Jardens wird den Stämmen Gad, Reuwen und einem Teil des Stammes Menasche versprochen. Sie dürfen dort aber erst siedeln, nach dem sie dem restlichen Volk dazu verholfen haben, das Land Israel zu erobern. 

In Dewarim, Vers 12, spricht  Mosche aber auch sehr kritisch zum jüdischen Volk: „ Wie soll ich allein die Mühe und Last, die ihr mir macht, und eure Streitigkeiten ertragen?“ Raschi in seinem Kommentar auf diesen Vers zitiert die Weisen: Als Mosche früh aus seinem Zelt hinausging, haben die Menschen über ihn gelästert und gefragt: „Warum geht der Sohn Amrams so früh heraus?“ Schnell fanden sie eine Antwort darauf, und sagten: „Wahrscheinlich hat er Probleme Zuhause und verlässt aus diesem Grund sein Zelt viel früher.“ Doch als Mosche später als gewohnt sein Zelt verließ, lästerten die Menschen und fragten: „ Warum geht der Sohn Amrams nicht heraus? Bestimmt sitzt er Zuhause und schmiedet böse Pläne gegen dich“, sagte einer zum anderen.

Daran können wir sehen, dass es keineswegs ein neues Phänomen ist, „in der dreckigen Wäsche“ der Prominenz herumzuwühlen. Schon damals hat man versucht, Schlechtigkeiten bei einem heiligen Menschen wie Mosche zu finden. Und wenn es nichts zu finden gab, dann erfand man irgendetwas.

Konkret hat man versucht, Mosche auf drei verschiedenen Ebenen zu attackieren. Dass man ihn nicht direkt beim Namen nannte, sondern als Sohn Amrams bezeichnete, war eine klare Anspielung auf Mosches Abstammung. Womöglich wollten die Schwätzer so darauf hinweisen, dass Mosches Vater Amram sich von Mosches Mutter, Jochewed, hatte scheiden lassen und sie dann später doch wieder heiratete. Doch Amram, wie es im Talmud, Traktat Sota, beschrieben wird, hatte sich von seiner Frau nur aus einem einzigen Grund getrennt: Er wollte nicht, dass seine Söhne auf den Befehl von Paroh getötet werden. Doch Miriam, Amrams Tochter sagte, dass er noch schlimmer als Paroh sei,  wenn er so handele, denn Paroh ließe nur die Jungs töten, wogegen wegen Amram weder Jungen noch Mädchen geboren würden. Also überdachte Amram seine Entscheidung und heiratete Jochewed erneut.

Indem die Menschen darüber spekulierten, dass Mosche Probleme zu Hause habe, versuchten sie zugleich, seine Privatsphäre anzugreifen. Außerdem wollten sie damit sagen, dass der Mann nicht einmal sein Zuhause ordentlich führen könne. Wie sollte er dann erst das ganze Volk anführen?

Indem die Schwätzer schließlich noch mutmaßten, dass Mosche böse Pläne schmiede, wollten sie offensichtlich seine hehren Pläne in Frage stellen und diskreditieren. Sie unterstellten ihm, dass er nur so tue, heilige Absichten zu verfolgen, in Wahrheit aber nur nach Reichtum und Ehre strebe.

Heutzutage werden prominente Personen meist  auf denselben drei Ebenen angegriffen. Sobald ein Mensch eine herausragende Position erreicht oder sich dafür entscheidet, bewusst auch in der Öffentlichkeit zu stehen, begibt er sich automatisch in eine Situation, in der die anderen nach seinen Fehlern suchen werden, oder dergleichen einfach erfinden.

Wir erkennen daran aber auch, dass wir uns Mühe geben müssen, nicht allen Unterstellungen und  Lästereien Glauben zu schenken, sondern umgekehrt auch Positives zu erwarten. Man hätte genauso interpretieren können, dass Mosche sein Zelt früher als üblich verließ, nur weil er mehr Zeit in die Gemeinschaft und seine Mitmenschen investieren wollte und dafür sogar bereit war, weniger Zeit mit der Familie zu verbringen. Wenn Mosche umgekehrt sein Zelt später verließ als üblich, wäre ebenso möglich gewesen,  dass er mehr Zeit für seine Vorbereitungen und sein Lernen brauchte, um in der Lage zu sein, den anderen besser zu helfen.

Es liegt ausschließlich an uns, wie wir die Menschen beurteilen.